Interview mit Christian H. Kienzle, CEO von ARGO-HYTOS
Interview mit Christian H. Kienzle, CEO von ARGO-HYTOS. Erschienen in der O+P Nr. 4, April 2013.
Herr Kienzle, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in den für den Export so wichtigen BRIC-Staaten?
Bei den Märkten, die in den letzten Jahren sehr stark gewachsen sind, haben wir momentan rezessive Tendenzen. Das gilt insbesondere für China, aber auch für Indien. Beide Märkte zeigen eindeutige Bremsspuren, dennoch bin ich der Meinung, dass es zukünftig eine gute Entwicklung in diesen Märkten geben wird, aber nicht mehr so boomartig wie in der Vergangenheit.
Auf dem chinesischen Markt kann man feststellen, dass es dort eine massive Überkapazität im Baumaschinensektor gibt. Das hat dazu geführt, dass seit einem Jahr die Zulieferung der Hydraulik in diese Märkte praktisch zum Stillstand gekommen ist. Die Abnehmer waren es nicht gewöhnt, einen so starken Abschwung zu managen. Es wurden massiv Lager für Hydraulikprodukte aufgebaut. Wir glauben aber, dass diese Überkapazität sich im Laufe des Jahres einigermaßen neutralisieren
wird und dass wir wieder zur Normalität kommen werden, aber auf einem niedrigeren Niveau. Auf der anderen Seite glauben wir, dass diese Disproportionalität der Endabnehmermärkte der Hydraulik zu Gunsten der Baumaschinen abnehmen wird. Die Landmaschinentechnik wird für eine größere Nachfrage an Hydraulikkomponenten sorgen, aber natürlich auch die sehr stark gewachsene Industriehydraulik, insbesondere der Werkzeugmaschinenbau durch die starken Anbieter von immer kompetitiveren Werkzeugmaschinen in China.
In Indien sehe ich einen großen Unterschied zum chinesischen Markt; bei den OEM handelt es sich im Wesentlichen um lokale Produzenten mit einem geringen Exportanteil, die hauptsächlich für den indischen Markt produzieren. Dort
liegt das Problem nicht in der Überkapazität, sondern daran, dass erhebliche Investitionshindernisse in den Bereichen Verwaltung, Infrastruktur und Energie vorliegen.
Der indische Staat ist relativ stark verschuldet und somit bleiben die dringend notwendigen Investitionen in Eisenbahn, Straßenbau und Energie gebremst. Auf der anderen Seite braucht auch die Landwirtschaft dringend entsprechende Rationalisierung.
Es gibt also trotz aller Unterschiede in den zukünftigen, sich stark entwickelnden Absatzmärkten für unsere Hydraulikprodukte gute Absatzchancen. Darüber hinaus kann man noch sagen, dass sich die angrenzenden Märkte in Asien zu interessanten Nachfragern entwickeln werden, wie beispielsweise Indonesien, Philippinen, Malaysia und Thailand.
Auch auf dem brasilianischen Markt sehe ich deutliche Bremsspuren, weil die lokalen Nachfrager bzw. OEM sehr stark durch die preiswerten chinesischen Anbieter unter Druck stehen. Dies ist insbesondere im Bereich der Industriehydraulik der Fall, als auch im Mobilhydraulikmarkt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die lukrativen Einsatzgebiete im Miningbereich und in der Landwirtschaft. Deswegen glaube ich, dass sich Brasilien sicherlich moderat entwickeln wird, aber nicht boomartig. Es gibt zwar verschiedene Infrastrukturprojekte, im Rahmen der Olympiade und der Fußballweltmeisterschaft, aber das sind in der Regel mehr Strohfeuer.
Russland ist natürlich ein großer Nachfrager von Agrartechnik und es besteht dort ein riesiger Bedarf an Ersatzinvestitionen für landwirtschaftliche Maschinen und Fahrzeuge. Außerdem ist die Infrastruktur wesentlich besser geworden. Wir glauben, dass dieser Markt sich positiv entwickeln wird.
Was sind aus Ihrer Sicht international derzeit die größten Wachstumsbranchen für ARGO-HYTOS bzw. für die Fluidtechnik allgemein?
Generell ist ARGO-HYTOS als mittelständisches Unternehmen relativ stark international aufgestellt. Wir sind in den allen Produktbereichen – sowohl bei den Komponenten als auch den Systemen – bereit auf allen Märkten dieser Welt unsere Marktanteile zu erweitern. Wir sind in vier Ländern mit eigener Komponentenfertigung vertreten, um unsere Kunden weltweit zu bedienen.
Zusätzlich haben wir in den meisten Kontinentalvertretungen eine eigene Produktion für Hydrauliksysteme aufgebaut, um den Kunden sehr schnell Prototypen der jeweiligen Hydrauliklösung zu bieten. Voraussetzung hierfür ist natürlich die entsprechende Kompetenz in diesen Ländern, auf die wir sehr großen Wert legen, um unseren Kunden nicht nur eine gute Komponente zu verkaufen, sondern auch ein gutes System zu bieten, das mit hervorragenden Ingenieuren des Kunden gemeinschaftlich diskutiert und entwickelt wurde.
Somit kann ich sagen, dass wir als kleineres mittelständisches Unternehmen, das noch keine so bedeutenden Marktanteile hat, eigentlich in jedem Produktbereich und in jeder Wachstumsbranche mit unserer Anwendungstechnologie gut vorankommen werden. Wir fokussieren uns dabei auf bestimmte Applikationen in den Bereichen wie z. B. Landwirtschaft, Baumaschinen, Flurförderfahrzeuge und bestimmte ausgewählte Segmente der Industriehydraulik wie der Windkraft.
Welche Bedeutung haben die internationalen MDA-Messen für Ihr Unternehmen?
Die zentrale Hydraulik-Ausstellung weltweit, die Leitmesse für Industrie- und Mobilhydraulik ist sicherlich nach wie vor die Motion, Drive & Automation (MDA) innerhalb der Hannover-Messe-Industrie, die alle zwei Jahre in Hannover stattfindet.
Ausgehend von dieser Messe haben wir auch im Fachverband Fluidtechnik im VDMA intensiv darüber diskutiert, wie wir unseren mittelständischen Mitgliedsunternehmen helfen können, Märkte neu zu erschließen. Hier sind Messen natürlich ein hervorragendes Mittel auch für kleinere Unternehmen, um sich und ihre Produkte in neuen Märkten entsprechend zu präsentieren und das zu vertretbaren Kosten.
Aus diesen Gründen wurde mit der Hannover-Messe und dem VDMA vereinbart, dass wir diese Satelliten-Messen an den MDA-Gedanken andocken. ARGO-HYTOS als mittelständisches Unternehmen nimmt an diesen Messen teil, teilweise mit dem VDMA-Gemeinschaftsstand oder aber auch auf eigenen Messeständen – je nachdem, ob wir bereits eine eigene Gesellschaft in dem jeweiligen Land haben oder nicht.
Mit welchen Erwartungen nimmt ARGO-HYTOS an den international bedeutenden Messen MDA in Hannover und bauma in München teil?
Die MDA als Leitmesse für die Hydraulik in Hannover zieht sehr stark internationale Kunden an, auch wenn in München keine bauma stattfindet. Wir sehen die MDA vor allem als einen Treffpunkt für die Branche, für Kunden und für unsere eigene Vertriebsorganisation.
Und wir wollen diesen Treffpunkt auch leben. Von dieser Seite her ist die MDA in Hannover eine Gelegenheit, uns beispielsweise unseren Vertretern und Distributoren zu stellen und ihnen auf dieser hervorragenden Plattform neue Produkte zu präsentieren und Schulungen durchzuführen.
Die bauma ist wiederum ein Highlight der Baumaschinenindustrie, bei der ein gewisser Investitionszyklus abgebildet wird. Sie bietet eine unglaubliche Plattform für Neuvorstellungen von Maschinen, die natürlich auch ein Bild abgeben, inwiefern unser Unternehmen erfolgreich war, nämlich mit wie viel Produkten unser Haus bei unseren Kunden dort vertreten ist. Von dieser Seite her ist das schon ein großer Showcase.
Außerdem bietet sich natürlich auch die Möglichkeit mit Ingenieuren dieser Unternehmen ins Fachgespräch einsteigen zu können, um neue Lösungen zu finden, oder auch einfach sich zu freuen, dass man stolz ist, für den einen oder anderen Kunden eine clevere Lösung gefunden zu haben. Hier ist die bauma eine ganz wesentliche Messe für unser Haus, um unsere Präsenz auch in dieser Branche darzustellen.
Wir müssen ganz deutlich den Trend sehen, dass wir mit der MDA eine klare Leitmesse in der Hydraulik haben, es aber gleichzeitig doch einen eindeutigen Trend zur Fachmesse gibt: ob es Agritechnica, EMO, bauma, Entsorga oder die Windmessen sind, der Trend geht sicherlich eindeutig auf die Spezialisierung von bestimmten Branchen- bzw. Anwendermessen unserer Branche.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der Hydraulikbranche im Jahr 2013 ein?
Im Maschinenbau gehen wir davon aus, dass ein moderates Wachstum von ca. 2 % stattfinden wird, was sich in etwa mit der Entwicklung im Jahre 2012 deckt. Es sind wirklich Jahre der Konsolidierung, die jedes Unternehmen in irgendeiner Form nutzen wird, um wieder größere Wachstumsmöglichkeiten zu finden.
Mit großen Anstrengungen versuchen die Unternehmen im Moment ihre Positionen durch Steigerung der Effektivität und der Produktivität zu verbessern, um erfolgreicher zu werden, also auch in nicht mehr so stark wachsenden Märkten trotzdem ein entsprechendes Wachstum zu haben. Es wird also auch ein entsprechender Druck auf die Preise stattfinden.
Ich bin der Meinung, dass der Kampf um Marktanteile international wesentlich schärfer sein wird und sich die Unternehmen darauf einstellen müssen. Die Hydraulik ist eindeutig eine zyklische Industrie, wir haben sehr gute und starke Jahre gehabt. Dieses Jahr wird sicherlich von vielen Unternehmen genutzt werden, um sich weiter zu konsolidieren, fit zu machen für den nächsten Aufschwung.
Herr Kienzle, vielen Dank für das interessante Gespräch!
Die Fragen stellte Michael Pfister, Chefredakteur von O+P.