Hydropneumatische Federungen: Schnellere und kostengünstigere Entwicklung durch modulare Regelungssysteme
Hydropneumatische Federungssysteme verbessern Komfort und Produktivität von Fahrzeugen.
Dass sie derzeit nur in bestimmten Fahrzeugen eingesetzt werden, liegt vor allem am hohen Entwicklungsaufwand und den Zusatzkosten der Federungskomponenten. ARGO-HYTOS bietet nun ein modulares System an, das neben einem verbesserten Kosten-Nutzen-Verhältnis auch einen reduzierten Entwicklungsaufwand ermöglicht. Zwei speziell hierfür entwickelte
hydraulische Lösungen bieten darüber hinaus deutliche Vorteile gegenüber den bisher bekannten Systemen.
Komfort, Produktivität und Wirtschaftlichkeit gehören heute zu den wichtigsten Anforderungen, wenn es um die Eigenschaften mobiler Arbeitsmaschinen geht. Die gestiegenen Ansprüche beim Komfort werden dabei insbesondere getrieben durch die Richtlinie 2002/44/EG, welche die zulässige tägliche Schwingungsbelastung von Fahrern definiert. Mit anderen Worten: je weniger Schwingungen zum Fahrer durchdringen - je komfortabler er also fährt - umso länger ist es ihm erlaubt, zu arbeiten. Dieses Kriterium kann insbesondere bei Offroad-Arbeiten darüber entscheiden, ob der Fahrer eine bestimmte Arbeit den vollen Arbeitstag durchführen darf, oder vorher abbrechen muss.
Der Komfort geht also nicht nur mit persönlichem Wohlbefinden einher, sondern mit einer greifbaren Verbesserung der zulässigen Arbeitszeit und damit der Wirtschaftlichkeit. Der gestiegene Komfort wird es dem Fahrer zudem erlauben, Arbeitsprozesse schneller und präziser durchzuführen und somit produktiver zu arbeiten. Auch hierdurch wird die Wirtschaftlichkeit weiter verbessert.
Um diesen Komfort zu erreichen bedarf es eines Federungssystemes, welches eine Entkoppelung der Bodenunebenheiten von dem Fahrzeugchassis bzw. dem Fahrer ermöglicht. Hydropneumatische Federungssysteme können an verschiedenen Stellen eines Fahrzeuges angeordnet sein.
Typischerweise gibt es drei verschiedene Anwendungsfälle: die Rad- oder Achsenfederung, die Kabinenfederung und die Federung eines Auslegers bzw. einer Nutzlast. Bei der Rad-/Achsenfederung kommt noch ein weiterer wichtiger Vorteil hinzu: es werden die Radaufstandskräfte bzw. der Bodendruck des Rades vergleichmäßigt und damit die Zugkraftübertragung verbessert. Damit steigen sowohl Effizienz als auch Produktivität.
Typischerweise werden in Fahrzeugen mit regelmäßigen Laständerungen niveau-regelbare Federungen verwendet. In den meisten Fällen ist dies eine hydropneumatische Federung, also ein System bestehend aus Federungszylinder und Druckspeicher sowie einem Lageregelungssystem (schematische Darstellung siehe Abb. 1).
Derzeit werden fast ausschließlich Fahrzeuge der Premium-Klasse und Fahrzeuge mit hohen Produktionsstückzahlen mit entsprechenden Federungssystemen ausgerüstet. Hinzu kommen verschiedene Spezialanwendungen, in denen auf eine Federung nicht verzichtet werden kann. Der Grund hierfür sind die aktuell hohen Entwicklungskosten (und damit auch Produktkosten) in Verbindung mit langen Entwicklungszeiten. Beides gilt vor allem dann, wenn ein OEM erstmalig ein Federungssystem auf seinem Fahrzeug einführt bzw. auch dann, wenn die nächsthöhere Evolutionsstufe integriert werden soll. Diese Hürde ist oftmals der Grund, warum die Entscheidung für eine Federung vertagt wird, trotz der oben beschriebenen, offensichtlichen Vorteile.
Das Ziel von ARGO-HYTOS ist es daher, interessierten Fahrzeugherstellern den Einstieg in die Technologie der hydropneumatischen Federungssysteme bzw. deren Weiterentwicklung zu erleichtern. Entwicklungskosten sollen reduziert und die Entwicklungszeiten erheblich verkürzt werden. Dies wird erreicht durch eine neue Produktoffensive, die sich vor allem durch drei Vorteile auszeichnet:
- Ein standardisiertes, modulares Regelungssystem für hydropneumatische Federungen - bestehend aus Hydraulik und Elektronik
- Einfache kundenspezifische Anpassung dieses Systems über die Auswahl der passenden Module und eine geeignete Parametrierung
- Die Unterstützung und Beratung des Kunden insbesondere auch hinsichtlich des Federungs-Gesamtsystems und dessen Interaktion mit dem Fahrzeug
Die Vorteile für OEMs liegen auf der Hand:
- Prototypen-Systeme sind sehr schnell verfügbar.
- Anwendungsspezifisch parametrierte Standard-Module können als Serienlösung für kleine und mittlere Stückzahlen genutzt werden.
- Für große Stückzahlen und/oder besondere Bauraum-Bedingungen können kundenspezifische Module aus dem Prototypen-Setup abgeleitet werden.
Das auf dieser Basis entwickelte, modulare Regelungssystem besteht, wie Abb. 2 zeigt, aus einem Hydrauliksteuerblock, der mit einer elektronischen Steuerungsbox verbunden ist. Diese steuert als Kontrollzentrum sämtliche Funktionen des Hydrauliksteuerblockes und erhält ihrerseits Informationen von der Bedieneinheit, verschiedenen Sensoren und ggf. dem Fahrzeug-Bussystem. Der Hydrauliksteuerblock steht in Verbindung mit dem Federungszylinder, um die Zylinderposition und den Druck im Zylinder-Ringraum zu kontrollieren. Optional kann die Verbindung zwischen Zylinder-Kolbenraum und Kolbenraum-Druckspeicher über ein Ventil im Hydrauliksteuerblock bedämpft (Dämpfungsregelung) oder getrennt (Federungsblockierung) werden.
Weiterhin besteht eine Verbindung des Regelungssystems mit dem Fahrzeug zur Versorgung mit hydraulischer und elektrischer Energie. Es werden LS-Systeme (Standard und "common rail") mit Konstant- und Verstellpumpen unterstützt, eine Bordspannung von 12V bis 24V ist möglich.
Die kundenspezifische Anpassung des Systems erfolgt sowohl über die Auswahl der geeigneten Module, als auch über die Parametrierung dieser Module. Seitens der Hydraulik gibt es verschiedene Module, mit denen die unterschiedlichen Arten hydropneumatischer Federungen bedient werden können (einfachwirkend, doppeltwirkend, konstant oder variabel vorgespannt, etc.).
Die erforderliche Hydraulik besteht mindestens aus dem Basis-Modul. Es ist ein Steuerblock, welcher der Lageregelung dient und hierfür dem Kolbenraum des Federungszylinders Öl zu- oder abführt. Besonderheit dieses Blockes ist, dass er mit nur einem Magnetventil auskommt, welches proportional ausgeführt ist und nur einen Magneten benötigt (siehe Abb. 3). Dies hat zwei Vorteile: gegenüber bisher üblichen Steuerblöcken wird mindestens ein Magnet eingespart und die Lageverstellung kann proportional angesteuert werden. Das heißt: bei kleinen Lageänderungen kann es feinfühlig reagieren und bei großen Lageänderungen (oder auch tiefen Temperaturen und damit hohen Ölviskositäten) kann das Ventil voll öffnen und damit schneller wieder in die Sollposition regeln (Regelbereich 2,5 bis 25lpm). Das Ventil und die entsprechende Verschaltung im Lageregelungs-Steuerblock sind zum Patent angemeldet.
Zusätzlich gibt es verschiedene Ringraum-Module zur Einstellung des Ringraum-Druckes bei vorgespannten Federungssystemen (Abb. 4). Hiermit kann die Federrate des Systems in einem weiten Bereich variiert werden. Ein erstes Modul hat eine hydromechanische Druckregelung und ist in einer Variante mit konstantem Ringraumdruck und in einer Variante mit kennliniengesteuertem Ringraumdruck erhältlich (insbesondere für Traktoren; deutsches Patent erteilt). Letztere bietet gegenüber einer Stufen-Umsteuerung des Ringraumdruckes den Vorteil des weichen, kontinuierlichen Überganges des Ringraumdruckes im Umschaltpunkt und damit einen mit der Lastverringerung kontinuierlichen Anstieg der Federrate. Ein zweites Modul nutzt die Technologie des o.g. 4/3-Wege-Proportionalventils auch für die elektrohydraulische Ringraumdruckeinstellung und ermöglicht somit in Verbindung mit einem Drucksensor eine voll-variable Druckregelung. Dies ermöglicht eine optimale Anpassung der Federrate an die jeweilige Arbeitssituation.
Darüber hinaus bietet das Kolbenraum-Modul die Möglichkeit, Einfluss auf den Ölstrom zwischen dem Kolbenraum des Federungszylinders und dem Druckspeicher zu nehmen. Dadurch kann eine gezielt eingestellte Dämpfung oder vollständige hydraulische Blockierung der Federung erreicht werden. Entsprechend werden an dieser Stelle Proportional- oder Schaltventile eingesetzt. Durch eine Reihenanordnung von Kolbenraum-Modulen kann auch eine selektive Abschaltung der Kolbenraum- Druckspeicher realisiert werden. Anstelle des Kolbenraum-Moduls kann auch ein Multi-Zylinder-Modul verbaut werden, welches eine Trennung zweier hydropneumatischer Federn bewirkt und so z.B. eine Wankstabilisierung ermöglicht.
Die einzelnen Hydraulikmodule werden miteinander verschraubt. Ihre Handhabung ist insofern einfach, als die einzelnen Flächen des Gesamtblockes einer strikten Funktionentrennung folgen: Modulflansch rechts und links, Versorgung hinten, Federungshydraulik vorn, Ventile oben und Befestigung unten. Selbstverständlich kann der Gesamtblock in beliebiger Orientierung eingebaut werden. Ebenfalls geliefert werden können Druckspeicher in verschiedenen Größen und Druckstufen entsprechend der Auslegung des Federungssystems. Aufgrund ihres guten Preis-Leistungs-Verhältnisses sind hier Elektronenstrahl-geschweißte Membranspeicher die erste Wahl.
Die erforderliche Elektronik kann auf Kundenwunsch ebenfalls mitgeliefert werden und besteht mindestens aus Lagesensor und Steuerung. Sie ist je nach hydraulischem Setup vorkonfiguriert und kann über Auswahl von Algorithmen und Parametern auf die Applikation angepasst werden. Die Elektronik lässt sich um Bedienelemente erweitern, welche z.B. die Verstellung der Sollposition oder der Federeigenschaften ermöglichen. Die Steuerung kann weitere Daten aus dem Fahrzeug-CAN-Bus empfangen, aktuell steht sie für das CANopen-Protokoll zur Verfügung, weitere Protokolle sind möglich. Für einfache Parametrierungsarbeiten, Wartungs- und Diagnosearbeiten sowie anspruchsvolle Federungslösungen steht ein Touchscreen-Display zur Verfügung.
Die Elektronik ermöglicht eine proportionale Lageregelung sowie eine Federraten- und Dämpfungsregelung. Zur Verbesserung des Komforts und der Fahreigenschaften können die Federungseigenschaften durch einen adaptiven Regelalgorithmus auf die bestehende Fahr- und Arbeitssituation angepasst werden. Auch eine manuelle Verstellung ist möglich. Für die Dämpfung wird derzeit eine semiaktive Regelung auf Basis eines Proportionalventils entwickelt.
Das Gesamtsystem ist serienreif entwickelt.Tests im Hydrauliklabor wurden mit dem ARGO-HYTOS Lastsimulator (Abb. 6a) erfolgreich durchgeführt. Mit Hilfe des Programmes DSHplus wurde eine Hardware-In-the-Loop-Simulation durchgeführt und somit die Steuerung zunächst in einem virtuellen Federungssystem in Betrieb genommen und getestet. Anschließend wurde der Praxisbetrieb des modularen Regelungssystems an einem Traktor getestet, bei dem die traktoreigene Federungssteuerung deaktiviert und stattdessen die ARGO-HYTOS Federungssteuerung angebaut wurde (Abb. 6b). Alle Funktionen des Systems wurden ausreichend getestet.
In Kundenprojekten bietet es sich an, aufgrund der direkten Verfügbarkeit für erste Prototypen das modulare System zu nutzen. In einem ersten Schritt erarbeitet ARGO-HYTOS hierfür mit Hilfe von Berechnungs- und Simulationsprogrammen Vorschläge für eine Auslegung der Federung und eine geeignete Kombination der Module. Letztere werden dann in Versuchen am Fahrzeug getestet, um ein Optimum zu finden und eine Modul-Konfiguration und einen Parametersatz festzulegen. Im nächsten Schritt kann der Kunde entscheiden, ob er diese Modullösung auch für die Serie übernehmen will, oder ob er einen kundenspezifischen Hydrauliksteuerblock wünscht. Letzteres wird vor allem bei besonderen Bauraumbeschränkungen oder auch zur weiteren Kostenreduzierung bei hohen Stückzahlen genutzt werden. In diesem Fall wird ARGO-HYTOS, unter Verwendung der bereits gewählten Komponenten und Einzelventile, einen neuen, maßgeschneiderten Hydrauliksteuerblock erstellen, der dann als Serienlösung Verwendung findet.
Hydropneumatische Federungen verbessern den Komfort und die Produktivität von Fahrzeugen. ARGO-HYTOS bietet ein modulares System an, welches ein verbessertes Kosten-Nutzen-Verhältnis und geringeren Entwicklungsaufwand bietet.
Autoren:
Dr. Wolfgang Bauer ist im Bereich Advanced Engineering der ARGO-HYTOS Gruppe verantwortlich für den Bereich Systemtechnik.
Dr. Marcus Fischer ist Chief Technical Officer der ARGO-HYTOS Gruppe.